Diese Wanderung ist etwas anders als meine eigentlichen Wanderungen, denn sie führt durch das Watt. Das Unesco Weltnaturerbe Wattenmeer, ist nicht nur unglaublich beeindruckend, sondern auch gefährlich. Daher handelt es sich bei der Tour um eine geführte Wanderung vom Wattwanderzentrum Ostfriesland. Ich freue mich riesig und überlege vor der Wanderung, was ich anziehe, denn es ist bewölkt, leichter Regen und nicht sehr warm. Aus Erfahrung weiß ich, dass es im Watt kalt werden kann, also entscheide ich mich für eine Regenjacke und nehme eine Fleecejacke im Rucksack mit, was ich auch wirklich empfehlen kann! Die Schuhe sind vorgeschrieben, barfuss geht nicht, entweder in Schnürschuhen oder in Beachies.

Die Bilder des Little Canyons sehen beeindruckend aus, ich kann mir aber nicht wirklich etwas darunter vorstellen. Ich freue mich also und lasse es auf mich zukommen! Unser Wattführer ist zertifizierter Natur- und Landschaftsführer des Nationalpark Wattenmeer und beim Vorstellen merke ich bereits, dass es eine tolle Tour wird, denn seine Begeisterung für das Watt springt sofort über.

Es geht los! Die ersten Meter zügig durch tieferen Schlick. Es ist nicht wie Wandern, es ist anstrengender oder einfach ungewohnter, aber gut machbar. Wir bleiben immer wieder stehen, was nicht nur eine Pause ermöglicht, sondern auch Einblicke in das System Wattenmeer, denn der Wattführer erklärt und zeigt.

Der erste Anlaufpunkt ist ein Muschelriff. Hier liegen unzählige Muscheln auf einer Sandbank. Wir lernen einiges über Miesmuscheln, europäische und pazifische Austernmuscheln und amerikanische Schwertmuscheln und wie sie nach Deutschland gekommen sind, welche Muscheln auf der Oberfläche liegen bleiben und welche sich ins Watt eingraben. Besonders beeindruckend fand ich, das Alter der toten Muscheln, welches doch bis zu mehreren hundert Jahren zurückliegen kann. Kaum zu glauben, dass manche Muscheln, die man in der Hand hält, so ein hohes Alter erreichen können. Interessant war ausserdem, dass sich Miesmuscheln mit Klebefäden festkleben und sich dadurch ganze Muschelbänke bilden können.

Von der Muschelbank aus, gehen wir noch tiefer ins Watt, um den Canyon zu entdecken. Wir laufen durch Priele und sickern teilweise recht tief in den Schlick ein. Die Priele sind mit Wasser gefüllt und der Wattführer zieht sein Fischernetz hindurch und zeigt uns seinen Fang – zwei Krabben und mehrere Garnelen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass das Krabbenbrötchen gar nicht aus Krabben, sondern aus Garnelen besteht. Eine Krabbe auf dem Brötchen sähe anders aus.

Die Krabbe ist angriffslustig und wehrt sich dagegen auf die Hand genommen zu werden. Sie bäumt sich auf und zwickt mit ihren Scheren, sehr mutig die kleine Krabbe. Die Priele füllen sich mit Wasser, das heisst, die Flut kommt früher als sie sollte. Das Wasser gräbt sich so tief in die Priele, dass, wenn sie leer sind, meterhohe Ränder und zwar die Canyons, entstehen, die wir jetzt natürlich nicht sehen können. Das ist zwar sehr Schade, aber ich finde es überhaupt nicht schlimm, denn die Tour ist trotzdem ein Erlebnis. Im Watt gibt es soviel zu sehen und der Wattführer macht das einfach toll. Er erzählt über Watt, Tiere und Gezeiten, es ist hochinteressant!

Mittlerweile sind die Priele, an der Stelle wo wir standen, überlaufen und überhaupt nicht mehr zu sehen. Wir gehen also zurück zu den Muschelbänken, wo wir noch mehr über Zugvögel, Muscheln und das Watt als offenes Buffett erfahren.

Die Flut kommt schleichend näher und wir machen uns auf den Rückweg. Unterwegs jedoch lernen wir noch einiges über den Wattwurm. Mit einer Schaufel, die der Wattführer mitgenommen hat, sticht er tief ins Watt und gräbt einen Wattwurm aus. Ich halte ihn auf der Hand und schaue mir an, wer die vielen Häufchen im Watt produziert. Stichwort Häufchen im Watt! Der Wattwurm ist wichtig für den Wattboden, denn er stabilisiert und durchlüftet ihn durch sein Umschichten. Er frisst Sand und filtert Plankton heraus. Halbstündlich entleert er seinen Darm, daher die vielen Häufchen. Es ist unglaublich, dass ein einziger Wurm im Jahr ca. 25.000 Kilo Sand filtert.

Die Wattwanderung ist leider schon zu Ende, aber ich habe direkt schon die Nächste gebucht. Es geht nach Baltrum und ich freue mich darauf!